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Mittwoch, 1. August 2012

Überführungstörn von Kroatien nach Südspanien

Ein Erlebnisbericht über die Überführung unserer Stahl Yacht RELIANT


Wir haben die RELIANT über das Internet gefunden, Sie ist eine Stahlyacht von 1986 und steht seit 2005 auf Trockendock in Rovinj,Kroatien.

Bilder zu der Vorbereitung der Überführung gibt es hier:

Erste Woche: In Kroatien angekommen, bin ich direkt gleich mal krank geworden... nach 2 Tagen mit Fieber im Bett dann zum Arzt und mich von einer hoch-professionellen kroatischen Ärztin behandeln lassen...Die hat mich erst mal zur Sau gemacht: "Warum?"..."Was du machen???"... und hat irgendwelche unangenehmen Halsmassagen durchgeführt, bevor Sie mich dann mit dem Befund "Angina - Mandelentzündung" und einer Packung Antibiotika entlassen hat...Natürlich ganz prima bei dem engen Zeitplan; erst mal `ne Woche lang krank zu sein!  Naja, mein Dad und sein Freund Edi haben derweil ohne mich das Schiff soweit vorbereitet.
Beim Einkaufen und Beladen war ich dann wieder dabei. Die Kassiererin an der Supermarktkasse hat nicht schlecht gestaunt: 4 überrandvolle große Einkaufswägen; Wasser und Proviant für 4 Wochen.
Am darauffolgenden Samstag sind wir dann ausgelaufen. Unser allererstes Ablegemanöver mit dem Schiff war ... gleich mal mit der Schraube in die Muringleine (ist die Leine um das Schiff am Bug oder Heck im Wasser festzumachen) rein gefahren. Also: runtertauchen und die Leine durchschneiden, während das Schiff schon auf die danebenliegende 400.000 Euro Motoryacht zutreibt… Na, hat gerade so noch geklappt, aber leider haben die jetzt da, in Rovinj  (Kroatien). eine Muringleine weniger. Die haben gut schimpft vom Steg aus, aber nochmal anlegen war bei dem Wind und den Umständen ziemlich unmöglich, deswegen blieb uns nix anders übrig als mit einem lauten "SORRY!" davon zu "segeln" ;P

Erster Schlag also von Rovinj quer über die Adria mit dem Ziel Bari (Italien). Mittlerweile war ich auch wieder gesundheitlich fit. Die Adria ist voll die Badewanne, echt total warm!! Dafür aber auch ohne Ende schmutzig, und auch kaum Wind im August. Daher nix mit segeln und alles unter Motor gefahren. In der ersten Nacht ist dann auch gleich die Autopilotpumpe ausgefallen. Also alles per Hand steuern- Tag und Nacht. Haben die Wachen so eingeteilt, dass jeder alle 4 Stunden für 2 Stunden Wache gehen musste.
Nach 3 Tagen dann in Bari angekommen! Jaaa.. das mit den Italienern...das war ein Spaß! Also normalerweise ist es so: wenn man per Schiff in ein neues Land einreist bzw. in unserem Fall in die EU (Kroatien kommt ja erst nächstes Jahr dazu), muss man sich anmelden (Einklarieren).  Es gibt also in vielen Häfen so Stellen, wo man das machen kann (sozusagen wie die Grenze) und eigentlich auch immer muss. Na, die Italiener sehen das irgendwie nicht so genau. Wir haben 6 Stunden gebraucht, nachdem wir von Amt, Zoll usw. hin und her geschickt wurden, bis wir dann irgendwo bei der Hafenpolizei gelandet sind. Die hatten keine Ahnung, was wir wollten und haben dann irgendein altes, zerknittertes Dokument rausgesucht über das dann 7 Beamte wild rum diskutiert haben, was sie sonst außer unseren Namen noch da drauf schreiben sollen. Tja.. so ist das mit der EU. Na gut, also in Italien kann man sich so was eigentlich schenken. Sind in Bari aber dafür in einem echt guten Yacht- Club gelegen, gab vom W-LAN bis zum Fitnessstudio echt alles! 2 Tage waren wir da, die meiste Zeit aber leider damit verbracht, einen neuen Autopiloten zu finden, welchen wir nach einer Stunde suchen und 850 € weniger aus Holland bestellen konnten. Da dies min. 4 Tage dauert, haben wir den gleich zu unserem nächsten Stopp, Sizilien - Siracusa bestellt. Bis dahin also noch selber steuern!

Von Bari sind wir dann also ohne Autopilot nach Siracusa weiter gesteuert... soweit ja nicht so schlimm! Unter Segeln musste man eh nicht viel steuern- da das Schiff ganz gut "am Ruder" liegt. Da aber, wie schon erwähnt, in der Adria kaum Wind war, sind wir recht viel unter Motor gefahren. Also doch wieder permanent am Steuern.  Egal, wir also schöön mit Motor unterwegs die Adria runter, kommt doch tatsächlich ein bisschen Wind auf! Juhu! Wir also die Segel hochgezogen, Motor aus... 3 Knoten Speed... (unter Motor hatten wir 6-7).. hmm auch nicht so toll...also Motor wieder an, aber nix! Motor ist nicht mehr angesprungen; Starterbatterie leer! Hausbatterien auch leer.. und das, obwohl wir eigentlich die ganze Zeit unter Motor waren und die voll geladen sein sollten. Nun, Problem war, dass der Laderegler anscheinend kaputt war und unsere schöne Starterbatterie überladen hat. Unsere X- Jahre alten Hausbatterien waren natürlich auch schon lange zu schwach um den Motor noch anzubekommen. Das ist dann schon ein Problem. Wenn es kaum Wind hat, der Motor nicht mehr anspringt, man kein Strom mehr für Navi, Kühlschrank usw. hat.. Da bleibt einem halt nix anderes übrig als auf Wind zu warten und in der Adria rum zu dümpeln... Nachdem wir ja Zeit hatten, haben wir dann da im Maschinenraum alles ein bisschen umgebaut, sodass unser Windgenerator (welcher zum Glück auch funktionierte!) nur noch unsere Hausbatterien lädt... Nach `nem schönen Badestopp mitten auf der Adria und 6 Stunden später hat der Windgenerator dann doch endlich so viel nachgeladen, dass der Motor angesprungen ist!  Da gabs erstmal `nen Rum zur Feier des Tages J
Nagut, der Motor wurde dann natürlich bis Siracusa nicht mehr ausgemacht!
Siracusa: Eine total geile Altstadt! Echt noch so richtig alt dort alles und die Menschen auch total nett da! Wir waren nämlich vier Tage lang dort. Ich glaub, was ich an den 4 Tagen zu Fuß gelaufen bin, laufe ich normalerweise in einem Jahr..Infrastruktur ist nicht so toll: vom Schiff bis zum nächsten Internetcafé ca. 2,5 km, bis zum Supermarkt 1 km. usw. usw. Egal wo man hin wollte, auch wegen Ersatzteilen (haben `ne neue Starterbatterie gekauft und die auch gut `nen km zu Fuß zum Schiff getragen), man musste immer ewig weit laufen. Taxis gab’s irgendwie auch keine.  Naja wenigstens ein bisschen abgenommen und ein Ausgleich zu den letzten 3 Tagen faul rumliegen auf dem Schiff ;)
Die Autopilotpumpe ist natürlich auch nicht so einfach in Siracusa angekommen, die mussten wir mit `nem Taxi (doch noch eins gefunden)  von 70 km Entfernung abholen. Dann haben natürlich die Anschlüsse nicht gepasst und wir mussten zu `nem Hydraulik- Händler laufen und die Schläuche neu pressen lassen usw. usw. Aber damit ich auch mal was Positives schreib: Was man mal trinken muss: Mineralwasser mit frisch gepressten Limonen (2 Stück) und dazu ein bisschen Meersalz! Gibt´s da unten an Ständen zu kaufen, ist total erfrischend, schmeckt gut und ist warscheinlich auch noch gesund.  Kann man da unten bei 40°C und nach so 2 km laufen auch echt gebrauchen!
Also, Siracusa, nach 4 Tagen uneeendlichem rumlaufen, endlich wieder in See gestochen! Mit funktionierendem Autopiloten und jeder Menge Motivation!!

Nächster Stop:
Süd -Sardinien- vorher noch kurz nach Licata (Süd -Sizilien) um Diesel zu tanken! Sind in den Hafen rein gefahren, da kommt uns in der Hafeneinfahrt gleich mal einer mit `nem Dhingy (so ´n Schlauchboot mit Motor)  entgegen gefahren und frägt uns, ob wir nicht `nen Liegeplatz brauchen. Neeein, wir wollen nur tanken, sonst nix!! Auch kein Problem, wir sollen ihm hinterher fahren, er bringt uns zur Tankstelle! "Sind ja total sozial, die Italiener!" Ham` ma uns gedacht! Na gut, wir also da irgendwo angelegt: total der noble Yacht- Club, mit allem Drum und Dran. Nur die Tankstelle hat irgendwie gefehlt.. Macht nix, er holt `nen Tanklaster. Aha.. ?! Wir also derweil dort im Cafe erst mal `nen Bier getrunken, während wir auf den Tanklaster gewartet haben.. Da wir in Siracusa keine Lust hatten, am Abreisetag nochmal  2 km zu laufen, sind wir nicht mehr dazu gekommen, `nen Wetterbericht einzuholen; deswegen erst mal W-LAN checken. Hmm, geht nicht… ist grade kaputt, hatt‘s geheißen. Naja, egal, Wetter wird schon passen. War ja eh die ganze Zeit schön und um die Jahreszeit liegt die Sturmwahrscheinlichkeit im Mittelmeer laut Küstenhandbuch bei unter einem % ; also was solls? Der Tanklaster kam dann auch.

260 Liter Diesel getankt, für unschlagbar günstige 1,90 € der Liter... war uns dann schon klar wie die den Service mit Begleitung und extra Tanklaster bezahlen! Wie auch immer, jetzt geht’s los nach Sardinien! Also, gleich wieder abgelegt. Kaum ein paar Stunden unterwegs sogar ein bisschen Rückenwind! Yeaa! Schmetterlingsbesegelung! Ist total geil und geht echt nicht oft so zu segeln, da der Wind ja genau von hinten kommen muss!


Wir also schön dahin gesegelt, zudem hatten wir Bergfest!! Also erst mal `ne Flasche Rum köpfen, Musik aufdrehen und ordentlich feiern.  Soo...dann irgendwann bei meiner Wache um 4 Uhr morgens- wir sind gerade mitten in der Straße von Sizilien, mittlerweile hat der Wind gedreht und wir machen schon ganz gut Lage, - frischt der Wind ein bisschen auf… "Na gut, endlich mal Wind!", dacht ich mir :). Dumm nur, dass es immer mehr aufgefrischt hat,. Tja, in solchen Fällen wär ein Windmesser natürlich nicht schlecht; unsrer war aber ja dummerweise kaputt. Das Blöde ist ja meistens nicht nur der Wind, sondern das ca. 20 Minuten später auch die Wellen kommen und mitten im Mittelmeer ist dann schon was Anderes, als die Adria, was Wellen angeht. Ich also irgendwann meinen Dad aufgeweckt: "Hey, ich glaub wir müssen mal `nen Reff einbinden". Reff bedeutet: die Segelfläche zu verkleinern, um dem Wind die Angriffsfläche zu nehmen. Kaum haben wir das erste Reff eingebunden (das ist nachts bei Wind und Wellen schon ein bisschen Action), wird der Wind auch schon stärker und stärker, also gleich mal noch `nen Reff eingebunden (also noch mehr verkleinert, die Fläche). „Ahja wird schon passen so“… Na nix da! Der Wind hat immer mehr zugenommen, beim Einreffen des Vorsegels (Genua) ist es uns dann auch gleich mal eingerissen L . Mittlerweile war es definitiv ungemütlich an Bord! So schön das Schiff auch ist, ist es leider auch undicht gewesen. Bei jeder Welle, die über das Vorschiff gekommen ist, ist auch gleich Wasser an allen möglichen Stellen ins Innere gelaufen und wir mussten alle so mehr oder weniger im Nassen liegen.

Na gut, so ging das dann also am nächsten Tag weiter. Irgendwann in der nächsten Nacht weckt mich dann mein Dad; ich muss mit raus kommen! Baahhh, das war ein Wetter! Mittlerweile hatten wir das Großsegel schon ganz weggenommen und liefen nur noch unter Sturmfock und Motor am Wind gegen an, da der Wind natürlich genau aus der Richtung kam, wo wir hin wollten… Tja, bei dem Wetter war auch nix mehr mit Autopilot; der hat das nicht mehr gepackt, die Yacht auf Kurs zu halten! Also doch wieder per Hand steuern. Das ist bei dem Wind, Wellen und `nem 17- Tonnen- Schiff auch echt nicht mehr so einfach! Da die Wellen von schräg vorne kamen, mussten wir die also jedes Mal, wenn eine große Welle kam, direkt   ansurfen, damit sie uns nicht von der Seite trifft. Natürlich der totale Spaß, das Ganze auch noch bei Nacht. Man sieht die 4- Meter-Welle erst, wenn sie schon fast neben einem zu brechen beginnt. Zudem auch noch Gewitter und die Gischt, die einem die ganze Zeit ins Gesicht spritzt ... ist schon ein bisschen Abenteuer :P
War echt froh. als meine Wache vorbei war. Ich mich also wieder hingelegt und den Wecker auf 4 Uhr für die nächste Wache gestellt; auch wenn Schlafen sowieso bei dem Wetter und Geschaukel fast unmöglich war. Wie auch immer, ich also um 4 Uhr wieder hoch, da liegen alle beide in ihren Kojen und pennen! Keiner steht am Steuer... „Aha“...dacht ich mir...“wohl kein Bock mehr gehabt, oder wie??“ Ich schau kurz raus: Draußen geht’s halt voll ab! Die Wellen brechen ins Cockpit ein. Hmmm, naja... erst mal die tollen Segelklamotten anziehen. Irgendwann wacht mein Dad dann auf und meint: "Wir haben Sturm" ... Ach?? Da wär ich jetzt nicht von alleine drauf gekommen! Hehe ;). Er hatte über das Funkgerät den Wetterbericht angehört: Sturmwarnung für das gesamte Seegebiet,- soviel konnten wir von dem Italienisch verstehen. Leider Sturm eben genau aus der Richtung, wo wir hin wollen. Also haben wir beigedreht (Segel Back stehen lassen und Ruder feststellen). Problem war, dass unser Motor zu schnell überhitzte, wir hatten also keine Chance mehr, gegen den Sturm anzukommen. Also hieß es, den Sturm abzuwettern und zu warten, bis es besser wird. Normalerweise dauert `nen Sturm so bis zu 3 Tage lang... hatten wir zumindest vermutet...  Aber wer braucht schon `nen Wetterbericht im Mittelmeer, bei unter 1 % Sturmwahrscheinlichkeit ???
…. Naja, nach 3 Tagen wurde es auch nicht besser und wir mussten uns entscheiden. Irgendwann waren wir nämlich genau wieder dort, wo wir vor 4 Stunden schon mal waren und wenn wir nix machen, wären wir in 12 Stunden wieder in Sizilien.
Also: entweder umdrehen und zurücksegeln, aber dann müssen wir alles nochmal machen, oder hart am Wind dagegen ankämpfen. Wir haben uns fürs ankämpfen entschieden… Bis nach Sardinien waren es noch 90 sm also ca. 18 Stunden Fahrt. Das hat dann auch ganz gut geklappt! Haben es aber nicht an die Südspitze geschafft, sondern mussten die Ostküste von Sardinien anlaufen (Arbatax). Irgendwann sind wir also endlich dort angekommen; alle total kaputt: seit 5 Tagen unterwegs, davon 3 Tage gar nicht geschlafen. Das Schiff sah aus! Segel kaputt, alles nass, überall Rostnasen -.- hier mal ein Bild: 



Es gibt auch ein Video, wo wir unter selbst gebauten Treibanker versucht haben abzuwettern. Man sieht das Wetter leider immer nicht so auf Bildern oder Videos, aber zumindest hören kann man es:





Das Wetter war auch in Arbatax voll ätzend: bewölkt, windig, kalt, nass- war das erste Mal seit Langem, dass ich mit Jeans abends zum Essen gegangen bin! Dort natürlich auch nur am Instand setzen gewesen; haben unser Segel von einem Schuster reparieren lassen (40€) :)


Nach 2 Tagen ging es dann auch schon weiter zu den Balearen!
Wir sind die Ostküste Sardiniens rauf und durch die Straße von Bonifatius gesegelt; auch hier wieder kein gutes Wetter. Das Tiefdruckgebiet über Sardinien wollte einfach nicht verschwinden. Nur Regen und Wind und das mitten im August! Die restliche Überfahrt von West-Sardinien bis zu den Balearen verlief endlich mal ohne größere Zwischenfälle; bis auf den  Keilriemen der Salzwasserpumpe; wofür wir zum Glück Ersatz dabei hatten, ist alles ganz geblieben!

Nach einigen schönen Tagen segeln dann auf Mallorca angekommen! Ab hier war es für uns alle ein bisschen Urlaub. Mein Dad und  Eddi hatten wieder Internet am Handy und wir haben das erste Mal Anker gelassen, um ins türkise Wasser zu springen.
Die restliche Überführung von den Balearen nach Südspanien hatten wir zwar auch viel Wind, diesmal aber dafür von Achtern!
Wieder ein bekanntes Erlebnis: Es fängt mit wenig Wind an und baumt schön das Großsegel aus, der Wind wird mehr und man merkt es am Schiff kaum (dazu noch ohne Windmesser). Wenn man dann mit 7 ktn dahinsegelt und trotzdem der Windgenerator anfängt zu pfeifen ohne Ende, weiß man dann: man könnte ja mal reffen! Dabei ist uns unser Vorsegel (Genua) gleich wieder gerissen, diesmal leider komplett durch :(
Der Wind hat zum Glück angehalten, sodass wir mit der Sturmfock noch gut Speed gemacht haben.

 5 Wochen (1 Woche Vorbereitung, 4 Wochen Überführung) und 2000 Seemeilen später sind wir dann endlich im Zielhafen Almerimar angekommen.

Es war unser erstes fantastisches Abenteuer unserer Weltumsegelung!
Vielen Dank fürs Lesen! Alle Bilder zu der Überführung findet ihr hier:
http://gallery.crosssailing.com/#/Transit/

Mehr Infos über das gesamte Projekt gibt es auf www.crosssailing.com




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